Rating of Perceived Exertion (RPE) als Werkzeug für Trainingsplanung

Die Progression bzw. Belastungssteigerung ist einer der wichtigsten Bausteine der Trainingsplanung. Ohne diese passt sich der Körper lediglich bis zu dem gewissen Punkt an, also nur bis er im Stande ist diesen Reiz des Trainings gut zu bewältigen. Sobald er diesen Zustand erreicht hat und der Trainingsreiz nicht verändert wird, stellt sich auch die Anpassung des Körpers an das Training ein. Deshalb ist die Trainingsprogression mit der entscheidende Faktor, um kontinuierlich eine Leistungssteigerung hervorzurufen. Die traditionelle Methode der Trainingsprogression sieht vor, dass in einem gewissen Zeitraum der Trainingsreiz um einen gewissen Wert erhöht wird, um eine Gewöhnung/ Anpassung an diesen neuen Reiz zu provozieren. Diese Erhöhung geschieht meist über eine Erhöhung des Trainingsvolumens oder auch des %-1RM (prozentualer Anteil des 1 Repetition Maximums) im Kraftsport. Die Kritik an diesem Modell sind nicht berücksichtigte Faktoren wie Schlaf, Nahrungsaufnahme oder soziale Stressfaktoren, welche die Trainingsbereitschaft beeinflussen können. Dies kann dazu führen, dass der vorgegebene Trainingsreiz an gewissen Tagen zu hoch oder aber auch zu niedrig ausfallen kann.

Deswegen gibt es noch andere Ansätze wie zum Beispiel die Trainingsprogression über das Session Rating of Perceived Exertion, zu deutsch: die Einschätzung der Anstrengung der Trainingssession (s-RPE). 

Das s-RPE versucht die durch das Training ausgelöste Anstrengung unter Berücksichtigung von Trainingsvolumen und -Intensität einzuschätzen. Somit kann von Trainingssession zu Trainingssession die Belastung je nach diesem s-RPE Wert angepasst werden. 

Die s-RPE Skala geht von 0-10. Folgendermaßen können die Werte gleichgesetzt werden: 

0 = Ruhe; 1 = sehr, sehr leicht; 2 = leicht; 3 = mäßig; 4 = etwas schwer; 5-6 = schwer; 7-9 = sehr schwer; und 10 = maximal

Als Beispiel: Nach einer Trainingssession wird vom Trainierenden ein s-RPE Wert von 6 angegeben. Das heißt, das Training fühlte sich für den Trainierenden etwas schwer an. Das heißt er lässt das Trainingsvolumen und die Trainingsintensität für die nächste Einheit gleich, da diese (subjektiv) als ausreichend empfunden wurde. Bei der nächsten Trainingseinheit, gibt er bei der gleichen Trainingsbelastung eine 3 als s-RPE Wert an, also wird zur nächsten Einheit das Volumen oder die Intensität erhöht. Falls aus unterschiedlichen Gründen (schlechter Schlaf, Stress, etc.) bei einer Trainingseinheit ein Wert von z.B. 9 (sehr schwer) angegeben wird, sollte das Trainingsvolumen/die Trainingsintensität verringert werden.

Der Gedanke hinter dieser Art von Progression ist es, dass eine auf s-RPE basierende Trainingsvorgabe dazu beiträgt, eine unnötige Belastungsprogression zu vermeiden, die zu einem geringeren Gesamttrainingsvolumen führt, während immer noch genügend Reize mit dem ursprünglichen Reiz gesetzt werden.

Eine durchgeführte Studie zu dem Thema (Gomes, RL et. al, 2022) untersuchte genau diese zwei unterschiedlichen Methoden miteinander auf die Muskelmasse und Maximalkraft. 

Folgend waren die Trainingsprotokolle:

Traditionelle Trainingsprogression:

Woche Protokoll Sätze Wdh. Satzpausen (in s)
1–2 Protokoll A 2 12–15 120
3–4 Protokoll B 4 8–10 120
5–6 Protokoll C 6 4–6 120

RPE Trainingsprogression:

  • Probanden fingen mit Protokoll A an
  • Nächste Trainingseinheit Anpassung je nach s-REP-Werte
  • s-RPE-Werte ≤5 (d. h. moderat) -> nächst höheres Protokoll (z. B. Protokoll A → B; Protokoll B → C)
  • s-RPE ≥6 und ≤8 (d. h. schwer), gleiches Protokoll
  • s-RPE ≥9 (sehr schwer-maximal), Übungssatz um einen Satz verringert

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Zahl der hochintensiven Einheiten deutlich geringer war, und gleichzeitig ein vergleichbarer Zuwachs an Muskelkraft und -masse wie das traditionelle Modell bewirkt wurde. Der Muskelquerschnitt vergrößerte sich bei der RPE Gruppe um 6.55 ± 5.27% und bei der traditionellen Gruppe um 9.65 ± 3.63% und die Kraft bei der RPE Gruppe um 9.68 ± 4.57% und bei der traditionellen Gruppe um 9.28 ± 4.01%. Es gab keinen signifikanten Unterschied in Bezug auf das Trainingsvolumen zwischen beiden Gruppen (RPE = 45,366.00 ± 10,190.00 kg und Traditionell = 47,779.00 ± 5,685.00 kg). Jedoch unterschieden sich die Protokollarten hinsichtlich ihrer der Intensität der jeweils durchgeführten 120 Einheiten signifikant voneinander: Protokoll A (moderat): Traditionell = 40 vs. RPE = 76; Protokoll B (mittel): Traditionell = 40 vs. RPE = 24; und Protokoll C (intensiv): Traditionell = 40 vs. RPE = 20.

Schlussfolgerung:

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass ein Progressionsmodell, das auf subjektiven Bewertungen von Sitzung zu Sitzung basiert, zu weniger hochintensiven Trainingssitzungen führt und gleichzeitig ähnliche Zuwächse an Muskelkraft und -masse ermöglicht. In dieser Hinsicht werden Athleten und Trainer ermutigt, s-RPE als ein potenzielles Instrument zur Kontrolle der Belastungsprogression während einer Trainingsperiode einzusetzen und die Optimierung des Trainingsreizes auf individueller Basis zu ermöglichen.